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Futter zu spät, Reh zu früh - was die Zeitumstellung für Tiere bedeutet


Zweimal im Jahr drehen wir an der Uhr – und jedes Mal kommen Mensch und Tier ein wenig aus dem Takt. Während wir uns mit Kaffee und ständigem Blick auf die Uhr behelfen, reagieren unsere Tiere direkter: Sie orientieren sich nicht an der Uhrzeit. Ihre innere Uhr kalibriert sich durch Tageslicht, Fütterungszeiten und Gewohnheiten. Ein Sprung von einer Stunde kann das System schon ordentlich durcheinanderbringen.




Warum Tiere keine Wecker brauchen


Tiere folgen einem „zirkadianen Rhythmus“ – einem biologischen Taktgeber, der über die Ausschüttung diverser Hormone auf Licht, Temperatur und Tätigkeiten reagiert. Er sitzt tief im Gehirn, im sogenannten suprachiasmatischen Nukleus (SCN) des Hypothalamus, und wird in der Regel durch Licht synchronisiert.


So werden Hunger, Schlaf, Körpertemperatur und Leistungsfähigkeit gesteuert. Wenn nun plötzlich Gassirunden, Reitstunden, Fütterungszeiten oder Melkzeiten eine Stunde später oder früher stattfinden, kann der Körper – besonders bei sensiblen Tieren – entsprechend reagieren: mit Unruhe, Verdauungsproblemen oder verändertem Verhalten.


Besonders Tiere mit klaren Routinen spüren die Verschiebung direkt: Pferde, deren Magen regelmäßig Heu erwartet, Hunde mit festen Fütterungszeiten oder auch Katzen, die uns zur „falschen“ Uhrzeit aus dem Bett miauen, weil sie jetzt Hunger haben.


Der Körper läuft zunächst im alten Rhythmus. Hunger- und Schlafhormone wie Ghrelin, Cortisol und Melatonin sind noch nicht umprogrammiert. Während Cortisol den Tag einläutet, kündigt Melatonin die Ruhephase an. Die Zeitumstellung selbst verändert die Ausschüttung dieser Hormone nicht – aber unser früheres Licht-Einschalten am Morgen schon.



Und blinde Tiere?


Interessanterweise haben blinde Tiere (und Menschen) trotzdem ihren inneren Takt. Die biologische Uhr funktioniert auch ohne Sehvermögen, denn der Körper hat – wie so oft – Notfallschaltungen oder redundante Steuerungen eingebaut. Clever, oder?


Der bereits erwähnte suprachiasmatische Nukleus kann sich über viele Reize synchronisieren, zum Beispiel über:


  • Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht

  • regelmäßige Geräusche wie Futtereimer, Stalltüren, Wecker oder Schritte

  • soziale Signale anderer Tiere

  • und natürlich die Fütterungszeiten selbst


Das alles sind sogenannte Zeitgeber. Licht ist nur einer davon. Fällt dieser Reiz weg, übernimmt der Körper einen sogenannten „freilaufenden Rhythmus“. Er dauert etwas länger als 24 Stunden und wird durch andere Reize wieder eingefangen – das wurde sogar bei Menschen getestet, die längere Zeit ohne Uhren in abgedunkelten Räumen lebten.



Haustiere – zwischen Gewohnheit und Anpassung


Hunde sind Meister der Routine. Ihre innere Uhr ist eng mit den Gewohnheiten ihrer Menschen verknüpft. Wenn Futter, Spaziergänge oder Ruhephasen plötzlich verschoben werden, zeigen viele Hunde leichte Unruhe oder fordern mit Nachdruck ihre gewohnten Zeiten ein. Besonders ältere Tiere oder solche mit Verdauungsproblemen reagieren empfindlicher.


Tipp: Fütterungs- und Gassizeiten über etwa eine Woche schrittweise verschieben – täglich um 10–15 Minuten. So kann man auch schon vor dem Tag der Zeitumstellung sanft beginnen.


Pferde reagieren deutlich auf die Umstellung von Fütterung und Licht. Ihr Magen produziert rund um die Uhr Verdauungssäfte, weshalb zu lange Fresspausen Stress oder gar tiefgreifendere Verdauungsprobleme auslösen können. Gerade bei Pferden mit Kotwasser kann diese eine Stunde tatsächlich den Ausschlag geben.


Dazu kommt: Viele Reiter wechseln durch die dunklere Jahreszeit ihre Zeiten – vom späten Nachmittag in die Abendstunden unter Kunstlicht. Das verschiebt die Balance zwischen Aktivität und Ruhe. Für viele Tiere kein Problem, für manche aber schon.


Tipp: Wie beim Hund die Fütterungszeiten langsam anpassen, vor allem bei älteren oder sensiblen Tieren. Und: Dunkelphasen respektieren – Dauerbeleuchtung im Stall kann das Melatonin unterdrücken. Ich weiß, das ist nicht leicht, wenn viele Reiter erst zwischen 17 und 19 Uhr im Stall ankommen. Wenn es nicht anders geht: Vielleicht wäre ein wärmeres, dunkleres Licht mit geringem Blauanteil im Stall eine Idee – und dafür Putzplatz und Reithalle gezielt stärker ausleuchten.


Katzen sind meist gelassener – zumindest, wenn sie Freigang haben. Sie orientieren sich stärker an der Dämmerung als an Uhrzeiten. Wohnungskatzen dagegen sind deutlich mensch-orientierter und können sehr lautstark kundtun, wenn die Uhrzeit ihnen nicht passt. Das gibt sich normalerweise nach wenigen Tagen. Seien wir ehrlich: Meist sind wir als Dienstpersonal ohnehin so gut trainiert, dass wir irgendwann aufstehen und den Napf füllen.




Wildtiere und Verkehr – deutliche Folgen der Zeitumstellung


Für Wildtiere existiert keine Sommer- oder Winterzeit. Doch wir Menschen fahren jetzt eine Stunde früher zur Arbeit – und geraten damit in der Winterzeit mitten in ihre Aktivitätsphase. Das bedeutet: erhöhtes Unfallrisiko.


Rehe, Füchse, Wildschweine und Igel sind in der Dämmerung besonders aktiv – genau dann, wenn wir jetzt wieder mehr mit den Autos unterwegs sind.


Darum:

  • Fahrt in Wald- und Feldnähe besonders aufmerksam.

  • Schaltet das Licht des Autos lieber frühzeitig ein.

  • Reduziert das Tempo und achtet auf möglichen Wildwechsel.


Die Tiere hüpfen nicht auf deine Straße – deine Straße führt durch ihr Wohnzimmer.



Fazit


Die Zeitumstellung ist kein Drama, aber sie fordert Aufmerksamkeit.Der Körper folgt Rhythmen, die sich nur langsam anpassen – und jeder Eingriff von außen braucht etwas Geduld, auch gegenüber uns selbst.

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