Kotwasser - das laufende Elend
- Robin Hoyer
- 14. Feb. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Mai

Was ist Kotwasser überhaupt?
Viele Pferdebesitzer kennen es - aber kaum jemand weiß genau, was es ist: Kotwasser.
Dieses Symptom ist weit verbreitet, aber oft falsch verstanden. Zeit, es sich genauer anzuschauen.

Wir schauen wir uns kurz an, was es nicht ist:
Es ist keine Krankheit
Es ist kein Wasser
Es ist kein Durchfall
Es ist nicht tödlich
Es ist meistens nicht so einfach "weg zu hexen"
Also gilt, wie bei den meisten Problemen: erstmal tief durchatmen :)
Warum hier Atmen so wichtig ist, darüber schreibe ich sicher bald mal!
Was ist Kotwasser denn nun?
Kotwasser ist ein Symptom - auf dessen Ursachen gehen wir gleich noch ein, denn die sind mindestens so vielfältig wie die Ansichten zum "richtigen Reiten".
Wenn dein Pferd geformte Äpfel hinterlässt, aber davor, dazwischen oder beim Pupsen braune Flüssigkeit aus dem After heraus läuft (oder in manchen Fällen auch raus schießt), dann hat es Kotwasser. Ist der Haufen matschig, oder gar komplett flüssig handelt es sich um Durchfall.
Durchfall ist, wie beim Menschen auch, eine sehr auslaugende Erkrankung die auf Grund von Flüssigkeitsverlust schnell zu ernsten Konsequenzen führen kann. Warte hier bitte mit dem Tierarzt auf einen Fall zu lange!
Durchfall und Kotwasser können leider durchaus auch gemeinsam auftreten. Statt Kotwasser-Äpfel-Kotwasser wäre es dann mit breiigem/flüssigen Kot gemischt.
Ach ja - und Kotwasser ist Darmsekret. Hört sich eklig an - ist es auch. Darum folgt nun eine kurze medizinische, einfach gehaltene Erklärung. Was bringen euch Fachbegriffe, die man erst Googeln muss?
Die komplexen Vorgänge der Verdauung
Der Versuch es einfach zusammen zufassen:
Die Verdauung - und damit im Zweifel sogar direkt das Kotwasser - beginnt ganz vorn. Nämlich an den Lippen. Sie erspüren das Futter, sortieren es schon beim Fressen. Das Futter läuft durch Maul, Schlund, Speiseröhre und Magen schließlich in den Dünndarm, Blinddarm und Dickdarm.
Im Dünndarm entzieht der Körper (auch deiner), dem Futterbrei die Nährstoffe, wie Kohlenhydrate, Proteine, Vitamine und Fette aus der Nahrung und absorbiert sie Richtung Leber. Das ist auch der Grund für die Wirksamkeit bzw. nicht-Wirksamkeit mancher Medikamente, aber darüber schreibe ich heute nicht.
Alles was da übrig bleibt, kommt in den Dickdarm - dem letzten Abschnitt. Hier wird dann übriges Wasser vom Körper aufgenommen, getreu dem Motto:
"Was ich einmal habe, gebe ich ungern wieder her
denn es zu beschaffen war schwer!"
Dadurch ist der Kot dann geformt und relativ fest. Ist diese Funktion im Dickdarm gestört, kann das Wasser nicht aufgenommen werden, dann sammelt es sich wie "Wasserblasen" zwischen den Äpfeln - darum ist es auch bei manchem Kotwasser geplagten Tier gefährlich sich dahinter aufzuhalten. Ich selber kenne Pferde mit einer Spritz-Reichweite von 5 Metern, wenn das Wasser heraus gepresst wird.
Die Flüssigkeit riecht manchmal säuerlich - aber vor allem enthält sie Pilze und Darmbakterien. Wenn ihr eurer Pferd reinigt, empfehlen sich Gummihandschuhe! So mancher hat sich da schon eine Infektion geholt.
Was sind die Ursachen?
Wie schon erwähnt, die Ursachen sind super vielseitig, darum ist das Lösen der Problematik, bei allem Fachwissen, immer auch eine Glückssache und ein wenig "Versuch und Irrtum".
Immer wieder werden einzelne Studien zum Kotwasser durchgeführt, aber leider wird hier nicht viel Geld investiert.
Einige Futtermittelhersteller erheben immer wieder Daten. Darunter sind sicher einige, die gut sind (Natures Best z.B.), aber eine Studie von Futtermittelherstellern zu Verdauungsproblemen, halte ich grundsätzlich für schwer einzuschätzen. Ich denke dann immer an einen Tabakproduzenten, der eine Studie über die Schädlichkeit von Zigaretten in Auftrag gibt.
Eine sehr interessante Studie kommt von Carloin Zender (Feldstudie zu Risikofaktoren für den Absatz von freiem Kotwasser beim Freizeitpferd, LMU München von 2009 - unten verlinkt). Nachdem das Thema, wie gesagt, nicht tödlich ist, wird aber weniger geforscht, als in manch anderem Bereich.
Egal wen man fragt, Studie, Tierärzte, Heilpraktiker... alle sind sich einig: Die häufigsten Ursachen sind:
Der Stress und die Zähne
Stress kann bedingt sein durch, die Haltung, die Herde, Schmerzen, Überforderung, Unterforderung, Angst, Wetterwechsel - und - das vergisst man gerne: den Stress des Besitzers! Stress lässt sich manchmal gut abstellen, wenn man herausfindet woher er kommt. Manchmal allerdings auch nicht. Es ist ein bisschen wie beim Reizdarm von Menschen.
Je nach Schweregrad des Kotwassers will man vielleicht nicht Stall und Herde wechseln, dafür kann es gute Gründe geben.
Gegen Wetterumschwünge kann man auch nichts machen... aber man kann unterstützen ;-)
Hier folgt eine Liste der rein körperlichen Ursachen, die zum Teil vom Tierarzt (= TA) abgeklärt werden müssen (ohne irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit):
Ursache | Details |
Fütterung mit zu engmaschigen Heunetzen | Es ist zu anstrengend, das Heu aus dem Netz zu ziehen. Um mehr und schneller an das Futter zu kommen wird nicht richtig gekaut |
Heuqualität ist mangelhaft | Kaum zu vermeiden, schlecht zu sehen/riechen. Es kann sich um Schimmelsporen, Pilzbefall, zu viel Zucker... |
Heulage/Silage | Manchmal ist gute Heulage besser als schlechtes Heu. Viele Pferde vertragen sie nicht gut - anderen geht es damit besser. Silage sollte vermieden werden |
Zähne (TA - am besten mit Spezialisierung) | Nicht- oder falsch bearbeitete Zähne, durch Krankheiten verursachte Zahnschmerzen. Das Futter wird nicht richtig gekaut, evtl. hat das Tier Schmerzen (Stichwort EOTRH) |
Mineralienzufuhr (TA) | z.B. Zinkmangel (Vorsicht, es gibt auch Pferde, die eine Zink-Allergie haben) |
Medikamente | Unverträglichkeiten von Medikamenten sind ein möglicher Auslöser (Schmerzmittel, Entzündungshemmer, Antibiotika,Wurmkuren |
Falsche Fütterung/ zu schnelle Umstellung | Ideal ist Raufutter vor Zusatzfutter (Kraftfutter), damit letzteres vernünftig eingespeichelt wird; zu schnelle Futterumstellungen |
Infektionen (TA) | bakterielle oder virale Infektionen können zu Darmentzündungen führen |
Würmer! (TA) | Würmer zerstören ggf. nicht nur die Darmflora, sondern auch die Schleimhaut. Selektives Entwurmen ist okay, aber nicht immer ausreichend |
Sand | Gern bei (zu) mageren Weiden mit dem Wurzelwerk der Gräser mitgefressen. Er kann ebenfalls die Schleimhaut angreifen |
Wasser | Verunreinigtes Wasser z.B. aus alten Leitungen, oder aus großen Malerkübeln |
Magengeschwüre (TA) | Natürlich können die Probleme auch durch ein Magengeschwür ausgelöst werden |
Kommen wir zurück zum Stress - und warum ein Tierarzt das nicht heraus findet:
Die Antwort ist ganz nicht ganz einfach, aber am Ende: Für Stress haben Ärzte selten Zeit. Das ist bei uns genauso. Wir haben immer weniger Ärzte für immer mehr Patienten - und leider hat man oft das Gefühl, dass nach Standardrezepten gearbeitet wird / werden muss. Den Besitzern wird kaum zugehört (Außnahmen bestätigen die Regel). Da hilft auch keine GOT Erhöhung.
Außerdem ist Stress enorm individuell. Einer lässt sich davon aus dem Takt bringen, dass es heute mehr Mücken gibt als gestern, den anderen nicht. Einer reagiert auf Temperaturunterschiede, andere nicht. Manches Pferd reagiert auf eine andere Heulieferung, ein anderes auf den Wechsel der Jahreszeiten und das Dritte bekommt bei jedem Transport zum Turnier Kotwasser.
Laut der o.g. - und unten verlinkten Studie der LMU - sind sowohl ranghohe, als auch rangniedrigere Pferde betroffen, weil sie den meisten Stress haben. Auch Mobbing in der Herde kann eine Ursache sein (wohl besonders bei Wallachen und Schecken). Es gab auch schon ganze Herden mit Kotwasser, die alle das Problem nach dem Wechsel des Herdenchefs nicht mehr hatten.
In solchen Fällen hilft es meistens nur, wenn der Besitzer eine genaue Analyse betreibt und dran bleibt. Man könnte hier zum Beispiel über einen längeren Zeitraum ein "Kotwasser-Tagebuch" führen.
Es gibt aber auch Stress, den man nicht nur vermeiden kann, sondern als verantwortungsbewusster Tierbesitzer auch vermeiden muss:
Schmerz!
Natürlich lässt sich der Schmerz durch z.B. Arthrose, eine Verletzung oder eine Rehe nicht gänzlich vermeiden - mir geht es hier auch eher um den von uns verursachten Schmerz:
Nicht passende, zu scharfe und falsch eingesetzte Ausrüstung führt zu mehreren gesundheitlichen Einschränkungen, von denen das Kotwasser nur eine ist. Ich weiß, gute Sattler und die passende Ausrüstung sind schwer zu finden - und jeder hat das einzig Wahre, die Lösung für alles...
... aber die Lösung für alles gibt es nicht. Weder bei der Ausrüstung, noch bei der Therapie von Kotwasser (und vielen anderen Problemen).
Warum stört das Kotwasser überhaupt? Läuft halt...
Manchmal hört man diese Aussage - darum hier eine Antwort:
Pferde mit Kotwasser haben meistens auch Blähungen. Immer wenn sie pupsen kommt ein Schwall Darmsekret mit heraus. Es beinhaltet Pilze und Bakterien und klebt sich ins Fell. Es kann zu massiven Hautirritationen, Juckreiz und Infektionen führen. Der Geruch zieht Ungeziefer magisch an - und bei Stuten kann es nicht gesund sein, dass das Darmsekret über die Scheide läuft. Tierärzte überlegen bereits, ob Kotwasser womöglich die Aufnahme von Samen beeinträchtigt. Noch viel dramatische ist aber: Es könnte etwas dahinter stecken, was viel schlimmer ist (siehe oben).
Und bei all dem: diese Pferde werden geritten, denn sie sind nicht lahm. Ich bin ein großer Freund davon das Pferd zu bewegen, aber in diesem Fall ohne Erwartungen bzgl. Losgelöstheit und Durchlässigkeit - ich jedenfalls könnte das mit Reizdarm und Blähungen nicht leisten.
Zusammenfassend ist Kotwasser: das laufende Elend.
Was kann getan werden?
Die Ursachen sind komplex und vielfältig. Dutzende Futtermittelhersteller und ihre Berater haben im Kotwasser ihr Thema gefunden - und jeder von ihnen hat DIE Lösung für Dein Pferd. Mit Sicherheit kann man da Glück haben, oder am Ende nur weniger Geld im Sparschwein. Die Erfahrung zeigt: weniger ist oft mehr - und selbst das ist individuell.
In meiner Facharbeit zur Abschlussprüfung als Tierheilpraktiker habe ich dieses Thema intensiv bearbeitet. Auf Anfrage stelle ich anderen Therapeuten und interessierten Tierbesitzern diese Arbeit zur Verfügung. Schreib mir gern!
Podcast-Empfehlungen:
"Feldstudie zu Risikofaktoren für den Absatz von freiem Kotwasser beim Freizeitpferd"
von Carolin Zehnder, LMU München, 2009: