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Gut Ding will Weile haben - und kostet eben auch

Ausbildungen zum Tierheilpraktiker für 97 Euro? - Dafür bekommt man höchstens gute Leckerlies, oder einen kleinen Abendvortrag.




"Die Kunst des Heilens ist wie ein tiefer Brunnen, gespeist aus Wissen, Erfahrung und stetigem Üben. Wer nur an der Oberfläche schöpft, wird niemals das klare Wasser der Wahrheit erreichen." - aus einem Kommentar zum Huang Di Nei Jing (dem Standardwerk der TCM)


In einer Zeit, in der Wissen oft in Stunden verkauft wird und Zertifikate per Klick zu bekommen sind, scheint dieser alte Gedanke aktueller denn je. Wer Tiere behandeln möchte, trägt Verantwortung – nicht nur für sich, sondern für ein fühlendes Wesen. Und das verlangt mehr als PDF-Dateien und Online-Videos.



Wenn billig teuer wird – Gedanken aus der Praxis


Manchmal möchte man lachen, manchmal bleibt einem das Lachen im Hals stecken. Es gibt inzwischen Anbieter wie Sand am Meer, die Ausbildungen zum Tierheilpraktiker oder Tier-TCM-Therapeuten verkaufen – rein online, TÜV-geprüft, durchklickbar in Rekordzeit. Klingt verlockend. Sollte es aber nicht sein.



Der Schein trügt


Da ist zum Beispiel die „Hope Academy“ oder „wohlfuhlkurse.de“ – dort werden „zertifizierte“ Ausbildungen zum Tierheilpraktiker oder TCM-Therapeuten angeboten. Für schlappe 97 Euro. Rein online, ganz ohne Praxis. Und am Ende gibt’s ein firmeneigenes Zertifikat. Das klingt eher nach einem Netflix-Abo als nach medizinischer Weiterbildung.


Und dann steht da noch groß „TÜV-geprüft“. Klingt seriös, oder?

Der Haken: Der TÜV prüft in den meisten Fällen nicht die Inhalte, sondern ob die Plattform funktioniert, der Datenschutz passt und die Organisation halbwegs steht. Was da inhaltlich gelehrt wird? Steht auf einem ganz anderen Blatt.



Der Ruf steht auf dem Spiel


Kein Wunder, dass wir Tierheilpraktiker und Tiertherapeuten bei vielen Tierärzten und Tierbesitzern nicht den besten Ruf haben. Und ich verstehe es. Wer nach einem Wochenende mit ein paar Videos, ein bisschen Theorie und einem selbst gedruckten Zertifikat auf Tiere losgelassen wird, kann mehr Schaden als Hilfe bringen.


Dabei geht es nicht darum, Tierärzte zu ersetzen - im Gegenteil: Eine gute Tierheilpraxis arbeitet ergänzend, respektvoll und im fachlichen Austausch. Wenn wir aber zulassen, dass Halbwissen zum Maßstab wird, gefährden wir nicht nur das Wohl unserer Tiere, sondern auch unseren Beruf insgesamt.


Und ja - wenn Mist passiert, dann steht nicht nur unser Ruf auf dem Spiel, sondern möglicherweise auch die ganze Berufsgruppe der Tiertherapeuten. Ein vollständiges Berufsverbot ist keine absurde Idee - sondern eine realistische Konsequenz, wenn wir uns nicht selbst um Qualität und Verantwortung kümmern.




Warum Praxis nicht ersetzt werden kann


Wer Tiere behandeln will, muss sie lesen können – ihre Körpersprache, ihre Energie, ihren Ausdruck. Man muss fühlen, sehen, zuhören und sogar riechen. Zunge, Puls, Bewegungsmuster, Reaktion auf Nadeln – das lernt man nicht über Zoom.


Das lernt man mit Dreck an den Stiefeln, einem Tier vor der Nase und einem erfahrenen Lehrer im Rücken.


Stell dir vor: Jemand schaut ein paar Youtube-Videos über Brückenbau, schnappt sich einen Sack Zement und fängt an, eine Autobahnüberführung zu gießen. Würdest du darüberfahren? Nein? Eben. Doch genau das passiert, wenn Menschen glauben, nach einem Wochenendkurs Tiere behandeln zu können.


Ich hab das selbst erlebt: Leute, die nach zwei Tagen Schulung anfangen zu nadeln – ohne Pulsdiagnose, ohne Zungenschau, ohne Konzept. Und am Ende heißt es: „Akupunktur bringt nichts.“ Stimmt – falsch gemacht bringt sie nichts.



Manche können’s – auch ohne Papier


Versteh mich nicht falsch: Es gibt auch Menschen ohne formale Ausbildung, die Großartiges leisten – stille, bodenständige Persönlichkeiten, die einfach fühlen, was das Tier braucht, und helfen können. Aber die findest du selten auf Instagram mit Glitzerfilter und Frühbucherbonus. Die machen einfach. Für ihre Tiere. Für die Nachbarn. Und ohne Show. Rechtlich natürlich trotzdem heikel...



Merkmale einer guten Ausbildung


Ich selbst habe für meine Grundausbildung einen fünfstelligen Betrag investiert – und dabei sind Bücher, Fahrten, unbezahlte Praxisstunden und Wochenenden voller Lernerei noch nicht mal eingerechnet.


Warum ich das hier erwähne? Weil eine gute Ausbildung nicht billig sein kann, wenn sie ernsthaft Wissen, Erfahrung und Verantwortung vermitteln will!


Eine solide Ausbildung zum Tierheilpraktiker / Tiertherapeut erkennt man nicht an einem schicken Zertifikat oder einer TÜV-Plakette – sondern an Inhalt, Tiefe und Praxisnähe. Hier ein paar Dinge, auf die man achten sollte:


  • Dauer und Struktur: Eine fundierte Ausbildung dauert in der Regel mindestens zwei bis drei Jahre. Sie sollte gut strukturiert sein – mit Modulen, die dem Inhalt angemessen sind (ein Tag Anatomie wird nicht reichen), Wiederholungen, ggf. Zwischenprüfungen und Abschlussprüfung.

  • Praxisanteil: Theorie ist wichtig – aber ohne Praxis ist sie wertlos. Hospitationen, Praktika, praktische Wochenenden oder sogar ein fest integrierter Praxisblock sind ein Muss. Auch schön: Praktische Abschnitte in jedem Lehrmodul.

  • Live-Unterricht & Austausch: Ob online oder vor Ort – der direkte Austausch mit Dozent:innen und Mitlernenden ist unverzichtbar. Fragen stellen, Fallbeispiele diskutieren, Denkfehler erkennen – das geht nur im Dialog.

  • Fachliche Tiefe: Gute Ausbildungen gehen über Grundlagen hinaus. Anatomie, Physiologie, Pathologie, Ethologie (Veraltenskunde), Gesetzeskunde, Pharmakologie, vernünftige Anamnese, TCM-Diagnostik, ordentliches Repertorisieren – das alles gehört dazu.

  • Lehrende mit echter Erfahrung: Lehrkräfte sollten aus der Praxis kommen. Menschen, die selbst behandeln, mit Herzblut und Tiefe. In einigen Fächern ist es sogar genial direkt Tierärzte als Ausbilder zu erwischen. Auf jeden Fall: Keine reinen Theoretiker, keine Copy-Paste-Klickakrobaten, oder gar ein automatisches Lernprogramm.


  • Transparente Prüfungen und externe Überprüfbarkeit: Gute Schulen haben klare Prüfungsstandards – und idealerweise eine Anerkennung durch einen Verband der, z.B. dem Dachverband "Kooperation deutscher Tierheilpraktiker Verbände e.V." angehört, mit deren Prüfung arbeitet, oder eigene hohe Qualitative Ansprüche hat - auch an anschließende Weiterbildungen.

  • Der genauere Inhalt: Die THP-Ausbildung sollte sein wie ein kleines Medizinstudium. Aus ein paar ganz einfachen Gründen:

    • Erkennen von Gefahrenlagen (Schwerwiegende Erkrankungen und Notfälle, ansteckende Infektionen, Zoonosen etc.)

    • Echtes Verstehen der Gesamtzusammenhänge im Tierkörper

    • Kommunikation mit Tierärzten auf Augenhöhe

    • Erklärung der tiermedizinischen Begriffe und Techniken für den Tierbesitzer

    • Anerkennen der eigenen Behandlungs-Grenzen!

    Das Grundgerüst umfasst - grob zusammengefasst: Zytologie, Histologie, Anatomie des Tierkörpers: Bewegungsapparat, Verdauungsapparat, Atem- und Herz-Kreislaufapparat, Endokrines System, Urogenitalapparat, Nervensystem, Sinnesorgane und Haut; Diätik, Labor, Untersuchungsabläufe, Behandlungsabläufe- und fertigkeiten.

    Es gehören auch dazu: Grundlagen zur Tierhaltung, Rechtsvorschriften, Arbeitssicherheit, Dokumentationspflichten, ...und wenn Du Glück hast, hilft Dir Deine Schule auch noch in den Anfängen durch den Versicherungs- und Steuerdschungel. Ist das alles? Nein! Das ist nur der Anfang. Der wesentlich größere Brocken, als zuvor: Pathologie. Alles was Du am Tier gelernt hast kann nämlich erkranken. Erkrankungen zu erkennen und korrekt zu unterstützen ist ja das Ziel der Ausbildung. Und: da lernt man auch nie aus.

Denn am Ende geht es nicht nur darum, „was gelernt wurde“ – sondern ob man damit Tiere wirklich helfen kann.


Letztendlich setzen diese „Billiganbieter“ nicht nur den Berufsstand, sondern auch die wirklich guten Schulen unter Druck. Denn Hand aufs Herz: Ein paar Hundert Euro zu zahlen, bequem von der Couch aus ein bisschen zu klicken und am Ende – wenn überhaupt – eine Larifari-Prüfung abzulegen, klingt für viele in der Post-Covid-Zeit einfach verlockender, als zwei bis drei Jahre lang regelmäßig am Wochenende in den Unterricht zu fahren, frierend im Stall zu stehen, Facharbeiten zu schreiben und sich einer ernstzunehmenden Prüfung zu stellen. Qualität kostet Zeit und Geld – sie fordert Einsatz. Aber genau das macht den Unterschied. Für uns. Und für die Tiere.



Die Wichtigkeit der Prüfung und der Facharbeit


Eine ordentliche Prüfung, möglichst standardisiert, ist nicht nur ein Häckchen auf auf dem Papier - sie ist ein Filter. Zwischen "ich hab das mal gehört" und "ich kann es unter Druck abrufen und anwenden" liegen Welten. Genau deshalb braucht es Prüfungen, die auch fordern.


Und Facharbeiten? Die bringen Ordnung ins Denken. Sie zwingen uns, uns wirklich tiefgreifend mit einem Thema zu beschäftigen, Zusammenhänge zu verstehen und das Wissen verständlich aufzuschreiben. Wer das einmal gemacht hat, spricht anders über sein Fach - und denkt auch anders. Und genau darum geht's: nicht nur wissen, dass etwas hilft - sondern verstehen warum.



Was wir brauchen


Wir brauchen klare Standards. Prüfungen, die Substanz haben. Eine rechtliche Anerkennung, die nicht nur schützt, sondern auch aussiebt. Damit wir den Unterschied sehen – zwischen dem, der wirklich helfen will, und dem, der nur etwas verkaufen möchte. Denn am Ende ist es das Tier, das leidet, wenn wir die falschen Leute ranlassen.



Fazit


Tierheilpraktiker, oder Tiertherapeut zu sein – ob mit Schwerpunkt auf Akupunktur, Homöopathie, Naturheilkunde, Physiotherapie oder Osteopathie – ist kein Lifestyle. Es ist eine Aufgabe. Eine, die viel Wissen braucht. Viele Fehler. Viele Stunden am Tier. Und einen wachen Geist.


Und ja – auch eine gute Portion Demut.



Bis dahin: Augen auf. Und Haltung zeigen. Für die Tiere. Für unseren Beruf. Und für uns selbst.



„Wenn du heilen willst, dann lerne. Wenn du wirklich lernen willst, dann diene. Und wenn du dienen willst, dann vergiss deinen Stolz.“aus der chinesischen Medizintradition


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Zum Abschluss, hier noch der Link zur Kooperation einiger Verbände: https://www.kooperation-thp.de/



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