TCM-Kräuter - Kein Ton, ein Orchester
- Robin Hoyer

- 11. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Warum chinesische Kräuter anders funktionieren, als du vielleicht denkst

Viele, die sich für Naturheilkunde interessieren, stoßen früher oder später auf Kräuter aus der Traditionellen Chinesischen Medizin. Dann ließt man Sätze wie "Dieses Kraut hilft gegen Bluthochdruck", "jenes ist gut fürs Herz" - und denkt sich: Klasse, das nehme ich!
Doch, Du ahnst es schon, so einfach ist das nicht. Das hat auch einen guten Grund, von dem ich Dir heute erzählen will.
Chinesische Kräuter wirken nicht symptomatisch - sondern systemisch
Was in der westlichen Naturheilkunde oft nach dem Prinzip "Symptom = Mittel" funktioniert, geht in der TCM einen ganz anderen Weg. Hier wird nicht das "Was" ergründet und behandelt, sondern vor allem das "Warum":
Warum ist der Blutdruck hoch?
Warum die Verdauung träge?
Warum ist die Haut trocken oder juckt?
Warum scheidet mein Tier zu viel aus?
Die Antwort liegt selten in einem einzigen Kraut. Ähnlich, wie man kaum eine vernünftige Melodie erzeugen kann, wenn man nur einen Ton anschlägt. Es wird viel mehr mit mehreren Kräutern auf das komplexe Gesamtbild von Konstitution, Puls, Zunge, Lebensweise, Verhalten und Symptomen eingegangen. Nur wenn dieses Muster verstanden ist, kann eine Kräuterrezeptur wirklich sinnvoll zusammengestellt werden.
Kein Kraut wirkt "dagegen", sondern nur "für" das Gleichgewicht
Ein Beispiel:
Die chinesische Engelwurz Dang Gui (Angelica sinensis) wird oft als "Frauenkraut" beschrieben. Sie unterstützt das Blut. Aber eben nur, wenn sie in das Gesamtbild passt.
Bei jemandem mit Kälte, Feuchtigkeit und Blähungen kann die Gabe also nach hinten los gehen (sprichwörtlich...)
Bei jemandem mit Trockenheit, innerer Unruhe und Blutmangel kann sie sehr wohltuend wirken
Der Unterschied liegt nicht im Kraut - sondern im Patienten.

Viele Töne ergeben eine Melodie
In der TCM werden Kräuter nicht einzeln, sondern in Kombinationen verwendet. Man spricht von "Rezepturen", die ähnlich wie ein kleines Orchester funktionieren: Es gibt eine Hauptwirkung, unterstützende Komponenten, ausgleichende Gegenpole und eine Struktur, die dafür sorgt, dass das Ganze rund wird - und gut verträglich bleibt.
Das Ziel ist immer: das Gleichgewicht wiederherstellen, nicht das Symptom "wegschieben".
Und wie ist das rechtlich?
In Deutschland unterliegen die meisten klassischen TCM-Rezepturen und Kräutern strengen Regularien. Für Tiere gilt: Wir dürfen offiziell als Tierheilpraktiker nur Nahrungsergänzungsmittel oder futtermittelrechtlich zugelassene Kräuter verwenden - und keine apothekenpflichtigen Arzneidrogen. Das wurde vor ein paar Jahren vom Tierarzneimittelgesetz so reguliert. Wer also ein gutes Buch gelesen hat über die Phytotherapie der TCM bei Tieren wird diese Rezepturen meist nur in der Theorie selber zusammenstellen und verwenden.
Dennoch lässt sich mit den zugelassenen Pflanzen viel bewirken, wenn man weiß, wie man sie kombiniert, dosiert und wann man sie lieber weg lässt. Das ist keine Sache von Online-Listen, sondern von fundierter Ausbildung und Erfahrung.
Fazit: TCM-Kräuter sind kein Baukasten - sondern eine Sprache
Chinesische Kräuter wirken wie Klänge in einer fein abgestimmten Komposition. Jedes Kraut hat dabei seinen eignen Ton, seine eigene Schwingung - doch erst in der richtigen Komposition entfaltet sich die volle Melodie.
Es geht nicht darum, den "einen richtigen Ton" gegen ein Symptom zu spielen, sondern das gesamte Stück neu zu stimmen. Denn die TCM ist keine Sprache der Diagnose, sondern der Resonanz.
Wenn Du Dich fragst, ob bestimmte Kräuter Deinem Tier guttun könnten - oder ob eine TCM-orientierte Betrachtung sinnvoll wäre -, sprich mich gern an. Gemeinsam schauen wir, was wirklich passt - individuell, ganzheitlich und mit viel Fingerspitzengefühl. Denn darum geht es in der TCM: Nicht einfach machen, sondern verstehen.



